Ausstellung im Kunstraum Villa Sponte in Bremen (mit Katharina Schnitzler)

In der aktuellen Ausstellung der Villa Sponte gehen die Werke der beiden Künstlerinnen Cholud Kassem und Katharina Schnitzler einen ungemein anregenden und aufschlußreichen Dialog ein. Das rührt vor allen Dingen daher, dass beider Werke einen im besten Sinne eigenwilligen und eigenständigen Weg beschreiten, der durchaus wesentliche Gemeinsamkeiten, aber auch grundlegende Unterschiede aufweist. Diese zu ergründen verleitet den Betrachter zum genauen Hinsehen und regt zum Nachdenken über formale wie inhaltliche Aspekte an.

Gemeinsam ist beiden Künstlerinnen das Arbeiten in Serien. Kein Bild steht allein für sich, sondern ist gleichsam immer Teil einer Werkfamilie, der Auseinandersetzung mit einem Thema, einer Idee über einen längeren Zeitraum hinweg. Dazu in Analogie steht das Prozesshafte des Malvorgangs – Schicht um Schicht wird ein Bildgrund immer wieder überarbeitet und weiter entwickelt. Die manchesmal beinahe haptisch wirkende Stofflichkeit und Struktur der Bildoberflächen ist damit ein wesentlicher Aspekt der künstlerischen Arbeit, wobei das Interesse am ›Stofflichen‹ im Falle der auf Stoffen aufbauenden Bilder der ›no return‹ Serie von Katharina Schnitzler wortwörtlich zu nehmen ist. Die sinnliche Intensität und Kraft des Arbeitsprozesses ist im jeweiligen Werk spürbar und verleiht diese gewisse Aura und Dichte, der sich der Betrachter nicht entziehen kann.

Für Schnitzler wie für Kassem ist das Changieren zwischen Gegenständlichem und Abstraktion als ein wesentliches Kontinuum im künstlerischen Werk zu benennen. Es existiert gleichsam eine Belebtheit ohne Menschen. An sich leblose Dinge wie ein Kleid, ein Blütenzweig, die Andeutung von ornamentalem Rankenwerk oder seltsam anmutende Kopfbedeckungen werden zu sensibel eingesetzten Trägern emotionaler Verfaßtheit . Insbesondere bei Katharina Schnitzler gewinnt die Andeutung von Gegenständlichem symbolhafte Präsenz, während bei Cholud Kassem der auf das Äußerste reduzierte Gegenstand gleichsam zur Verkörperung menschlicher Eigenschaften gerät – die bloße Hülle, aus vielfachen Farbschichten immer klarer umrissen, ja sozusagen modelliert, steht als Vergewisserung der eigenen Identität und Individualität.

In beiden Fällen gilt: Indem nur eine Andeutung oder symbolhafte Formulierung von Gegenständlichem erfolgt, bleibt die Bildaussage offen und läßt reichlich Spielraum für die Fantasie und Gedanken des Betrachters. Dabei ist der Grundgehalt der jeweiligen Werkidee, ja der Grundantrieb künstlerischen Arbeitens schlechthin in beiden Fällen dennoch die intensiv geführte Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz, dem sozialen Gefüge. Die Kunst ist ein ›escape vehicle‹ – so der Titel der Serie von Katharina Schnitzler – oder ein ›Schutzling‹ für Cholud Kassem. Sowohl das Bedürfnis nach einem Fluchtraum als auch die Sehnsucht nach Schutz sind also direkte Reaktionen, um die Eindrücke der eigenen Gegenwart zu verarbeiten.

Dr. Kristina Hoge