Wudus
Einzelausstellung von Cholud Kassem im Kunstverein Worms. 2007
Rede von Dr. Dietmar Schuth (Künstlerischer Leiter des Kunstvereins Worms und Schwetzingen) anlässlich der Ausstellungseröffnung im Kunstverein Worms.
Die in Bagdad geborene und in Deutschland aufgewachsene Künstlerin Cholud Kassem präsentiert ihre geheimnisvolle Kunst der magischen Köpfe und Pfeile in den Räumen der spätromanischen Andreaskirche. War sie vor ein paar Jahren noch mit ihren abstrakteren „Schutzlingen“ u. a. im Heidelberger Kunstverein zu sehen, hat sie in ihren neueren Arbeiten den Schritt zur Figuration gewagt.
In Opposition zum Hochaltar liegt das Zentrum einer zur Rauminstallation gesteigerten Schau im Westen der Kirche. Hier schweben 72 „Wudus“ transparent von der Decke herab. Wudus, das sind auf Papier collagierte Köpfe, Masken und figurative Chiffren, die an archaische Kulturen und animistische Religionen (wie den Voodo-Kult der Karibik) erinnern lassen. Der Vergleich mit der traditionellen Kunst Afrikas oder Ozeaniens drängt sich auf, doch spielt Kassem auch mit interkulturellen und sehr neuzeitlichen Motiven, mit den Puppen der Kindheit, mit phantastischen Aliens und anderen augenzwinkernde Assoziationen. Wichtig ist der individuelle Charakter jedes Kopfes, der freundliche oder aggressive, der naive oder bedrohliche Gesichtausdruck, der ohne Augen oder ohne Mund formuliert ist. Alle Köpfe sind durch einen rätselhaften Kopfschmuck akzentuiert, der dem Gesicht zusätzlich Charakter verleiht. Alle zusammen spiegeln diese Köpfe die Vielfalt phantasiegeborener Physiognomien, die gleichzeitig Spiegelbilder innerer Befindlichkeiten der Künstlerin sind und des Betrachters werden können.
Im Dialog mit den Köpfen zeigt Cholud Kassem auf acht großen auf das Westwerk zuführenden Tischen ihre Serie von 72 „Pfeilen“. Das sind Linien mit doppelten Spitzen, die Aggression und Schutzbedürfnis gleichermaßen abstrahieren, als Waffen und Trophäen oder als Schmuck oder Zauberstäbe assoziiert werden können und zusammen mit den Köpfen den Kirchenraum in eine rituelle Sphäre verwandeln.
© Dr. Dietmar Schuth